Schlaf schneller, Genosse

Sechzig Jahre Selbstekel

Der verfickte “Spiegel” wird sechzig. Die übernommenen Nazis, das Scheitern des Rolling-Stones-Interviewers Gremliza (statt Mitspracherecht wollten die Mitarbeiter Mitgewinn), das Blindwerden von Augstein, die reaktionären Das-Boot-ist-voll- und AIDS-Titelstories, das Saufen der Mehrzahl der für den Papierkorb schreibenden sehr gut bezahlten Redakteure (Print), das Nichtseufzen des neuen Unterhaltungsproletariats (Online), der konservierte Einheits-Schmunzelstil, die langen Strecken als Überbleibsel von “Spiegel Reporter”, der teilweise smarte Sport- und Auslandsteil, der ewige Hass aufs Bundeskanzleramt, der überall hervorquellende Klatsch - planiert die Hausmitteilung! Das sogenannte Nachrichtenmagazin garantiert dumme Angewohnheiten. Die Neurose, jede Ausgabe in einem Rutsch durchlesen zu wollen, entweder von vorne oder von hinten und sich hinterher nur an einen Artikel erinnern können. Montags ist Selbstekelsporttag. Stolz sind nur die Neuntklässler, die ihn sich unter den Arm klemmen. Eine Übertreibung: “Klar muss es den ‘Spiegel’ geben (bis er hundert Jahre alt wird). Aber muss man ihn auch lesen? Man kann. Mal ja, mal nein. Das ist heuzutage schon viel” (Klaus Harpprecht in der “Süddeutschen Zeitung” von heute.)