Die Zeitschrift “Neon” ist die erfolgreichste Magazin-Neugründung der letzten Jahre. Im Unterschied zum “jetzt”-Heftchen der “Süddeutschen Zeitung”, aus dem “Neon” hervorging, entbehrt es Originalität, Stilwillen und schönen Texten. Alles ist flach und überflüssig. “Neon” ist so zermürbend wie das Warten auf die erst in 7 bis 12 Minuten fahrende U-Bahn (bei dem man in der Regel auf “Neon”-Reklame glotzen muss). Das Läppische wird in “Neon” brutal durchdekliniert, um die Leser im Dauerkinderzustand (geht bis zirka 35 Jahre) zu halten. Der Trick besteht darin, sie marktkonform zu Entscheidungsträgern aufzupumpen. Freundschaft, Sex und Beruf sollen permanent optimiert werden - entscheide dich jetzt! Anhand von Multiple-Choice-Texten werden Fragen beantwortet, die niemand gestellt hat. Aus dem aktuellen Heft: “Was würdest du gerne rückgängig machen?”, “Der Letzte zahlt die Zeche - stimmt das?”, “Bist du ein guter Freund?” Außerdem: “Du willst es doch auch! 26 tröstliche Tipps für alle, die mit ihrem Sexleben unzufrieden sind” und “Lebenslang bewerben. Vom Job bis zum WG-Zimmer: Wie wir uns ständig anpreisen müssen” (fast dasselbe). Was früher die Fabrik war, ist heute das Sofa, auf dem “Neon” gelesen wird: Das Gehirn ist hier deplaziert. Da die Kontexte und Kollektive systematisch ausgeblendet werden, gilt das Unfertige als Kuschelecke im “stahlharten Gehäuse der Hörigkeit” (Max Weber). Eine erstaunlich schlecht gemachte Zeitschrift für defensiv-desinteressierte Typen, die sich gern als Persönlichkeiten begreifen möchten (aber nicht wissen, wie man Souveranität richtig schreibt). “Die ihren Freunden Janosch-Karten zum Geburtstag schenken und Chagall-Kunstdrucke ins erste WG-Zimmer hängen” (“Süddeutsche Zeitung Magazin” über Kim Frank, den Sänger von Echt).